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Taiwan-Krise: woher, wohin?

15. August 2022

Spannungen zwischen Taiwan und China bestehen seit Jahrzehnten. Die Besitzansprüche Chinas an der Inselgruppe sind unmissverständlich. Der Besuch von Nancy Pelosi bei der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen hat «das Fass zum Überlaufen gebracht». China reagiert mit einem grossangelegten Manöver.

 

Geschichte

  • Aufgrund der geographischen Nähe zum chinesischen Festland haben bereits im ersten Jahrtausend erste Kontakte zwischen dem heutigen Taiwan und China bestanden.
  • 1517 entdeckten Portugiesen die Insel und nannten sie Ilha Formosa.
  • Die erste dokumentierte Besiedlung durch Chinesen erfolgte während der Kolonialherrschaft der Niederländer zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Arbeitskräfte.
  • Von 1683 – 1895 wurde Taiwan vom chinesischen Festland aus regiert.
  • Nach der Niederlage Chinas im ersten japanisch-chinesischen Krieg trat China, Taiwan und die Pescadoren an Japan ab. Von 1895 – 1945 war Taiwan eine Kolonie des japanischen Kaiserreichs. In diese Epoche fällt die fruchtbare wirtschaftliche, industrielle und kulturelle Entwicklung des Landes, die aber begleitet war von bewaffnetem Widerstand gegen die japanischen Besetzer.
  • Nach der Niederlage Japans im zweiten Weltkrieg wurde die Insel 1945 in die damalige Republik China unter der der Führung von Chiang Kai-shek eingegliedert (nicht in die Volksrepublik China, heutiges Festlandchina unter Mao Zedong). Diese Kuomintang-Regierung unter Chiang Kai-shek verlor den chinesischen Bürgerkrieg 1949, floh auf die Insel und machte Taipeh zu ihrem Regierungssitz. Bei dieser Übersiedlung kamen rund 1.5 Mio. chinesische Flüchtlinge nach Taiwan, die heute rund 14% der Bevölkerung ausmachen.
  • Bis 1971 war die Republik China (heutiges Taiwan) die offizielle Vertretung Chinas in der UNO. Die UNO nahm die Volksrepublik China gegen den Willen der USA und weiterer westlicher Länder als einzige Vertreterin Chinas auf (UN-Resolution 2758). Diplomatische Beziehungen zu Taiwan wurden in der Folge abgebaut. Heute anerkennen nur gerade 15 Kleinstaaten Taiwan als souveränen Staat an. Dazu gehören weder EU-Mitglieder noch G7-Staaten.
  • 1979 brachen auch die USA die diplomatischen Kontakte ab.

 

Taiwan heute

  • Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war durch ein starkes Wirtschaftswachstum geprägt.
  • Ab den 1980er-Jahren setzte durch die Kuomintang-Regierung eine schrittweise Demokratisierung ein.
  • Heute belegt Taiwan im Demokratie-Index 2020 der Economist Intelligence Unit den Rang 3 in Südostasien und weltweit Rang 11 von 167 Ländern.
  • Das Land ist hochindustrialisiert und produziert rund zwei Drittel der global verbauten Halbleiter, welche auch den grössten Wirtschaftszweig des Landes darstellen (Quelle: CNBC). Taiwan wird durch diese Dominanz zum Spielball in der Geopolitik.
  • 98% der 22.7 Mio. Einwohner sind han-chinesischer Abstammung. Die indigenen Stämme machen die restlichen 2% aus. Mit 640 Einwohnern pro Quadratkilometer ist das Land nach Bangladesch der zweitdichtest besiedelte Flächenstaat (Ausschluss der Kleinst- und Stadtstaaten).

 

Aktuelle Lage

Die Stimmung zwischen China und Taiwan ist grundsätzlich angespannt, weil China einen historischen Gebietsanspruch an Taiwan geltend macht.

Der offiziell nicht genehmigte «Freundschaftsbesuch» von Nancy Pelosi (die Nummer drei in der politischen Hierarchie der USA) bei der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen wird von China als Provokation angesehen. Auch Russland, Syrien und der Iran verurteilen den Besuch von Nancy Pelosi als Affront. China hat als Reaktion darauf Sanktionen gegen Taiwan und Pelosi erlassen und ein massives Militärmanöver in der Formosastrasse und rund um Taiwan gestartet. Die Insel ist damit faktisch von der Umwelt abgeschnitten und das Hoheitsgebiet von Taiwan wiederholt verletzt worden. China simuliert im Rahmen des Manövers auch einen Angriff auf Taiwan mit Raketenbeschuss, worauf Taiwan mit der Mobilisierung der eigenen Streitkräfte begonnen hat. Die ganze Region ist in Alarmbereitschaft und die Welt verunsichert.

 

Eine kritische Beurteilung

Durch die Sanktionen Chinas und die militärischen Manöver leidet Taiwan unter eingeschränkten Handelsströmen und zahlt einen hohen Preis für die amerikanische «Unterstützung». Die Isolation von Taiwan durch die Seeblockade und die Lieferstopps sind besorgniserregend. Denn in Taiwan werden 66% aller global hergestellten Halbleiter produziert. Sand ist der Grundstoff hierfür. Jedoch hat China die Lieferung von Sand an Taiwan bereits gestoppt. Lieferungen Dritter werden für die Dauer der Manöver ausbleiben und wahrscheinlich darüber hinaus begrenzt sein. Bei Halbleitern bestand bereits vor der Eskalation der Taiwan-Krise ein Lieferengpass. Der Technologiesektor, aber auch weitere Bereiche, die auf Halbleiter angewiesen sind, werden durch die erläuterten Spannungen nun zusätzlich belastet.

In der Superliga der Grossmächte und auch innenpolitisch kann China in dieser Sache nicht ohne Gesichtsverlust klein beigeben. Die innenpolitischen Probleme (u.a. Immobilienkrise) gefährden die Stabilität und der Konflikt ist eine willkommene Ablenkung. Aktuell müssen wir von einer länger anhaltenden, aufgeheizten Krise ausgehen. Im Herbst finden sowohl in China als auch in den USA Wahlen statt. Keine der beiden Seiten kann deshalb Schwäche zeigen. Da beide Länder über Langstreckenraketen und atomare Sprengköpfe verfügen – und überdies im Ukraine-Russland-Konflikt ebenfalls eine atomare Bedrohung aufgebaut wird – ist die Stimmung so angespannt wie zuletzt im kalten Krieg. Die Friedensdividende ist endgültig Geschichte.

Zu hoffen bleibt, dass es zu keinem weiteren erschwerenden Zwischenfall – weder konventionell noch atomar – kommt und sich die Lage entspannt. Ein vollständiger Rückzug Chinas ist aber nicht zu erwarten.

 

Schlussfolgerungen

Für Taiwan werden die wirtschaftlichen Folgen durch die Seeblockade und die chinesischen Sanktionen einschneidend sein. Globale Lieferengpässe dürften abermals verschärft werden, die Verfügbarkeit von Gütern knapp und der inflationäre Druck erhöht bleiben.

Kriegsbedingte hohe Ausgaben für China werden die Bereitschaft zur Weiterführung der Manöver begrenzen. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Eskalation, dass es zu einer Invasion und folglich zum Eingreifen der USA kommt, stufen wir aktuell als gering ein. Die Spannung in der Region wird aber erhöht bleiben.

Eine Benchmark gewichtete oder leicht untergewichtete Aktienquote erscheint angesichts der erhöhten Risiken angezeigt. Technologiewerte und der Automobilsektor, die bereits unter dem Chipmangel leidet, dürften am stärksten in Mitleidenschaft gezogen werden. Allgemein könnte durch die guten Quartalsergebnisse der Unternehmen gestützte Erholung der Aktienmärkte an technische Widerstände stossen.

 

 

 


Kontakt: Christoph Sieger, Portfolio Manager
Telefon: +41 58 680 60 56


Disclaimer: Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen und Ansichten beruhen auf Quellen, die wir als zuverlässig erachten. Dennoch können wir weder für die Zuverlässigkeit noch für die Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Quellen garantieren. Sämtliche Informationen werden ohne Mängelgewähr und ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherungen oder Gewährleistungen zur Verfügung gestellt. Diese Informationen und Ansichten dienen rein zu Informationszwecken und begründen weder eine Aufforderung noch ein Angebot oder eine Empfehlung zum Erwerb oder Verkauf von Anlageinstrumenten oder zur Tätigung sonstiger Transaktionen. Interessierten Investoren empfehlen wir dringend, ihren persönlichen Anlageberater zu konsultieren, bevor sie auf der Basis dieses Dokumentes Entscheidungen fällen, damit persönliche Anlageziele, finanzielle Situation, individuelle Bedürfnisse und Risikoprofil sowie weitere Informationen im Rahmen einer umfassenden Beratung gebührend berücksichtigt werden können. Wir übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen und Ansichten. Soweit gesetzlich zulässig schliessen wir jede Haftung für direkte, indirekte oder Folgeschäden aus, einschliesslich entgangenen Gewinns, die aufgrund der publizierten Informationen entstehen.

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Rückblick 2023 – Ausblick 2024

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Im Jahr 2023 rückten zahlreiche geopolitische Risiken in den Vordergrund, ergänzt durch Zinserhöhungen der Notenbanken im Kampf gegen die Inflation. Der Konflikt in der Ukraine dauert bald zwei Jahre. Zusätzlich hat sich die Situation im Nahen Osten verschärft, insbesondere zwischen Israel und der Hamas. Eine Eskalation des Konflikts auf benachbarte arabische Länder konnte bislang verhindert werden. Zudem zeigen sich wirtschaftliche Schwächen bei zwei wichtigen Handelspartnern der Schweiz: China und Deutschland. Diese Entwicklungen führen zu einem Mangel an wichtigen Impulsen aus der Aussenwirtschaft. Geopolitische Themen werden auch im kommenden Jahr eine wichtige Rolle spielen. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die globalen Finanzmärkte oft nur von kurzer Dauer sind.

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